Veränderung ist hart, weil Kultur trumpft über Strategie
„Culture eats strategy for breakfast.“ – Peter Drucker
Ein Fallbeispiel eines Industrieunternehmens zeigt, dass Strategie gegen Kultur keine Chance hat. Der zunehmende Preisdruck und starke Konkurrenz aus Asien veranlassten den Produzenten seine Strategie zu überdenken. Ein Ergebnis der Neuausrichtung der Strategie war die Einführung des Lean Managements. Die üblichen Trainings und Workshops schulten die Mitarbeiter in Lean Methoden und Werkzeugen.
Eine ersten Euphorie darüber, dass sich das Management ernsthaft für ihre konkreten Probleme interessiert, wurde bald durch massive Widerstände der Mitarbeiter gegen das Programm abgelöst. Trotz anfänglicher Erfolge in der Prozessverbesserung wurden immer weniger Verbesserungsworkshops durchgeführt.
Allmählich wurde das Lean Management von scheinbar wichtigeren Themen verdrängt. „Business as Usual“ zog wieder in den Betrieb ein: Der Programmleiter verließ das Unternehmen, die Mitarbeiter beklagten dass für Verbesserung keine Zeit sei, für Qualitätsprobleme seien die anderen verantwortlich und die üblichen Prozesskonflikte wurden unter den Teppich gekehrt.
Lean als Fehlschlag
Im Ergebnis war das Lean Management ein Fehlschlag, ohne nachhaltige Ergebnisse. Das war aber für das Unternehmen fatal: Die Verluste wuchsen und die Führung wurde nervös. Was war der Ausweg?
Die erste Frage muss nach den Ursachen der Probleme sein. Erst dann kann auch eine wirksame Gegenmaßnahme entwickelt und umgesetzt werden. Die Analyse stellte fest: der Grund für die Ertragsprobleme war nicht vorübergehend, sondern das Ergebnis der erodierenden Wettbewerbsfähigkeit.
Während in der Vergangenheit die hohe technische Kompetenz den Premium-Preis für die Produkte rechtfertigte, waren die Mitbewerber immer mehr in der Lage, diese Produktleistung zu liefern. Aber zu geringeren Kosten. Das Unternehmen hatte ohne Wettbewerbsfähigkeit den Grund zum Überleben eingebüßt.
Die Richtung der Strategie war klar. Aber die Strategie-Umsetzung scheiterte, denn die mangelnde Verbesserungskultur machte einen Stricht durch die Rechnung.
Veränderung beginnt durch Einsicht
Diese Wahrheiten wurden in einem Change-Ansatz an alle Mitarbeiter offen kommuniziert. Weiters wurden für jeden Mitarbeiter relevant und nachvollziehbar deren konkrete Leistungssituation und die Kennzahlen der Prozessleistung erarbeitet. Das Bild war ziemlich hässlich, aber ein erster Schritt zur Änderung.
Diese schonungslose Transparenz öffnete die Augen für die Realität: „Wenn wir überleben wollen, dann müssen wir diese Kennzahlen verbessern, und zwar rasch.“
Jetzt erst kam der Stein ins Rollen und die Mitarbeiter realisierten eine weitere Wahrheit: nur durch prozess-übergreifendes gemeinsames Problemlösen konnten diese Herausforderungen gemeistert werden. Es reichte nicht mehr, den anderen die Schuld für die mangelnde Leistungsfähigkeit zu übertragen.
Die wirklichen Probleme liegen (nicht) in der anderen Abteilung
Während in der Vergangenheit die Fraktionen endlos über die Probleme stritten, wurden nun konkrete Schritte zur Analyse und Umsetzung angegangen. Insbesondere die aktive Übernahme von Verantwortung für die Abweichungen – unabhängig woher die Ursachen stammten – war ein entscheidender Schritt in Richtung messbarer Veränderung der Kultur.
Weiters praktizierten einflussreiche Senior Manager einen klaren und einbindenden Kommunikationsstil. Sie zeigten als Vorbild, dass Fragen stellen, Probleme aufzeigen und Hilfe annehmen persönliche Stärken sind, die zu gemeinsamen Verbesserungen und zum Erfolg führen.
Anreize und Konsequenz
Zusätzlich wurden die Anreize und Konsequenzen an den gemeinsamen Zielen ausgerichtet: niemand konnte persönlich gewinnen und einen Bonus einstecken, wenn nicht alle – und vor allem der Kunde – gewinnt. Negative Konsequenzen drohten nicht für die Überbringer der schlechten Nachricht, sondern für das Verstecken, Verleugnen und Verschieben von Problemen.
Dieser Veränderungsprozess ist noch nicht abgeschlossen und die nächsten Monate werden zeigen, ob der Betrieb überleben wird. Die Grundlagen der Verbesserung sind gelegt und die positiven Zeichen des Aufbruchs zeigen sich immer mehr: ein zuversichtlicher Optimismus, hohe Transparenz und Geradlinigkeit, ehrlicher Respekt und Teamarbeit in der Lösung der schwierigen Herausforderungen.
Symptome für eine selbstzufriedene Kultur (Complacency)
Vor der Veränderung litt das Unternehmen unter den folgenden Symptomen einer schwachen Verbesserungskultur:
- Jeder hat seine eigene fixe Meinung über fallende Leistungskennzahlen und deren Ursachen
- Alle sind geschäftig, aber nur wenige kümmern sich ums Geschäft und die „harten Nüsse“
- Jeder ist spitze in seinem „Reich,“ aber übergreifende Prozessprobleme fallen zwischen den Rost
- Keiner fühlt sich für komplexe Fehler verantwortlich, sodass der Kunde die Suppe auslöffeln muss
- Kollegen, die sich seit Jahren kennen, reden nicht miteinander über Fehler und Schnittstellen
- Emotionale Diskussionen über „Wer hat Schuld?“, statt gemeinsame fakt-basierte Problemlösung
- Schon lang erkannte Probleme kommen immer wieder aufs Tapet, aber ohne Fortschritt
- Mitarbeiter arbeiten vor sich hin und produzieren mehr Kosten als Umsatz
- Mitarbeiter fühlen sich nicht angehört, schlittern in Resignation und geben auf
- Hierarchiedenken unterminiert die Glaubwürdigkeit und Initiative und führt zu Angst
- Jeder weiß was zu tun wäre und jeder stimmt verbal zu, aber es wird einfach nicht getan
Der Weg zur Veränderung
Der Ausgangspunkt für die Steigerung der Performance ist eine schonungslose Transparenz. Diese muss durch die aktive Übernahme von Verantwortung eine effektive Problemlösung bewirken und durch die Konsequenz nachhaltig abgesichert werden.
Dahinter ist eine Teamkultur erforderlich, um die Aufmerksamkeit fest auf die dringliche, notwendige Verbesserungsarbeit zu lenken. Ganz grundlegend ist der gegenseitige Respekt auf dessen Basis dann jene Lernschritte bewältigt werden, die zu den notwendigen Veränderungen, zur Ergebnissteigerung und zur Wettbewerbsfähigkeit führen.
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